Mehr als nur ein Ohrenschmaus

Gehlenbeck, 31. Oktober 2022

Die Kaktus-Gruppe der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Gehlenbeck veranstaltete am vergangenen Freitag erneut einen Kleinkunstabend. Dieses Mal unter dem Titel 'Ohrenschmaus' mit dem heimischen Duo Christoph Kämper und Jan Knoop. Die beiden taten sich 2019 als Sänger, Gitarristen, Songschreiber und Rezensenten zusammen und hatten ihr neues Programm „Mucke, Texte und Gedichte“ im Gepäck.

Mehr als 80 Besucher kamen um einem sehr gelungenen Mix aus Gedichten, ausgesuchten Textpassagen, über- wiegend deutschen Liedern und Chansons zu folgen. Nach dem „Workingman ́s Blues“ von Bob Dylan als Eröffnungslied erklärte der Gehlenbecker Christoph Kämper, dass ihn und seinen Vlothoer Partner Jan Knoop nicht

nur die Liebe zur Musik verbinde, sondern auch die Freude an Sprache, am Fabulieren und allgemein an „Wort-gewalt“. Dementsprechend gaben sie ein anspruchsvolles, gleichzeitig sehr unterhaltsames und manches Mal zu Herzen gehendes Programm, in dem sich kurze Lesungen, Gedichte, Lieder und persönliche Einlassungen des Duos abwechselten. Der Bogen bei den literarischen Texten spannte sich von Frank McCourts „Die Asche meiner Mutter“, zu T.C. Boyles fulminantem Abenteuerroman „Wassermusik“, Paul Austers „Buch der Illusionen“ bis Umberto Ecos „Der Name der Rose“.

Die vorgetragene Lyrik von Joachim Ringelnatz, Bert Brecht, Pablo Neruda und Hanns-Dieter Hüsch bekam eine vertiefende Wirkung durch kreative gitarristische Untermalung. Ergänzt wurde das Programm durch die zwei bekennenden Leseratten aus dem Kaktus-Team, Hannes Steen und Eckhard Brune, die engagiert aus ihren aktuellen Lieblingsbüchern, Steinbecks „Früchte des Zorns“ und Maja Lundes „Die Geschichte der Bienen“ vortrugen.

Immer wieder überraschten Knoop und Kämper mit ihrer Liedauswahl aus überwiegend weniger bekannten deutschen Liedern und Chansons von Klaus Hoffmann, Element of Crime, Hannes Wader, Heiner Pudelko, Gerhard Gundermann, den Missfits und sogar „echten Oldies“ wie dem „Bürgerlied“ von 1842 und der Europahymne „Ode an die Freude“ von 1845, bei dem das Publikum aufgefordert war, mit zu summen.

Eine besondere Färbung erhielt der Abend, wenn Jana Wehmeyer, die Gastsängerin, ans Mikro trat und mit ausdrucksvoll warmer Stimme und sparsam eingesetzter Modulation interpretierte. Bei dem als Ballade arrangierten „Dein ist mein ganzes Herz“ von Heinz Rudolf Kunze, dem Missfits-Klassiker „Mensch Mäuschen“ oder bei Hildegard Knefs „Ohne Dich“, spürte so mancher Zuhörer Gänsehaut. Christoph Kämper hatte die Nettelstedterin, die sonst eher in Ihrer Stammband, den Travellers, in Rock und Pop beheimatet ist, für den Abend gewinnen können.

Knoop und Kämper harmonieren persönlich und künstlerisch. Sie sind spontane, positive Menschen mit Herz und Humor - das wurde im Verlaufe des ganzen Abends immer wieder deutlich. Kämpers Liedvortrag kam kraft-
voll und stimmig interpretiert, Knoops Spontanität und angeborener Mutterwitz brach sich immer wieder auf herrliche Art und Weise Bahn. Bei Schobert und Blacks „Out, over, Roger“, das er mit irrwitzigem Tempo vortrug, blieb kaum ein Auge trocken.

Am Ende des gut zweistündigen Programms wurde es noch einmal sehr still im Saal, als Christoph Kämper von seinem belarussischen Freund erzählte, den er niemals ohne den guten „Wind der Veränderung“, der Anfang
der 90er Jahre wehte, kennengelernt hätte. In einem kürzlich geführten Telefonat versicherte dieser Freund ihm, dass er und seine russische Frau sich nichts mehr wünschten, als das der aktuelle Wahnsinn des Krieges endlich ein Ende nehmen möge. Und so hatte laut Knoop und Kämper „Wind of Change“ von den Scorpions jede Berechtigung, im Sinne der Hoffnung auf bessere Zeiten, gespielt zu werden. Langanhaltender Applaus und drei Zugaben beendeten einen schönen Abend. In gegenwärtig schwierigen Zeiten strahlte er einen Zauber der Zuversicht, Gemeinschaft und Wärme aus, der allen Besuchern sichtlich und fühlbar guttat.