Morgenandachten von Eberhard Helling
18.10.10 Evangelisch - katholisch, und jetzt...
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Eine neue Woche beginnt – und jetzt schon weiß ich, was mich erwartet: Der Geburtstag meines Sohnes, ein Zahnarzttermin und dann noch all das Übliche: Dienstbesprechungen, Verabredungen, die ich schon vor einiger Zeit getroffen habe. Und sonst noch? Ich bin gespannt. Bisher war noch nie eine Woche wie die andere, - soweit ich mich erinnern kann - immer ist irgendetwas Unerwartetes geschehen. Letzte Woche rief mich z.B. ein Freund an, den ich schon seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen habe.So, wie eine neue Woche kommt mir auch das Verhältnis zwischen evangelischer und katholischer Kirche vor. Man kennt sich recht gut. Man weiß, mit wem man es zu tun hat. Es gibt eine Menge Vereinbarungen, auf die man sich verlassen und auf die man auch mit einem gewissen Stolz zurückblicken kann. Vor 11 Jahren zum Beispiel: da hat in Augsburg etwas stattgefunden, was man vor 30, 40 Jahren für nahezu unmöglich gehalten hätte. Zwei hochrangige Kommissionen haben ein Dokument unterschrieben, in dem festgestellt wird, dass es in der entscheidenden Rechtfertigungslehre weitgehende Übereinstimmungen gibt. Ich denke, dass bis heute die Folgen noch nicht abgesehen werden können, die sich aus diesen Gemeinsamkeiten ergeben. Es ist gut, wenn die Kirchen bei aller Normalität in ihrem Verhältnis zueinander noch unerwartet aufbrechen. Diese Aufbrüche sind oft nicht so schnell zu erkennen. Aber wenn sie geschehen, dann umso langfristiger. Wie es zu solchen Aufbrüchen kommt? Ich denke, dass man sich dann gerne auf den Weg macht, wenn man die ureigensten Anliegen in den Worten und Entscheidungen der anderen wiedererkennt; vielleicht auf ungewohnte, fremde Weise; aber doch ganz vertraut. Wen man merkt, ich komme beim anderen vor, dann macht man sich gerne auf den Weg.Es gibt für die evangelische Kirche vier Grundeinsichten, die ich in den kommenden Tagen in den Morgenandachten vorstellen will. Doch wie überrascht war ich, als ich vor einiger Zeit diese Grundeinsichten in einer katholischen Messe wiederfand: da wurde zu Beginn des Gottesdienstes in feierlicher Prozession das Evangelienbuch hereingetragen. Das Evangelienbuch ist ein besonders kostbar ausgestattetes Buch: groß, oft in Leder eingebunden, manchmal sogar mit wertvollen Steinen verziert. Und in ihm sind nur die ersten vier Bücher des Neuen Testamentes enthalten, die Evangelien. In den Evangelien finden sich alle Geschichten von Jesus Christus. Für mich wurde mit einmal klar: die Katholiken feiern, was wir lehren: die Bibel ist das entscheidende Buch. Darin steht die Geschichte von Jesus Christus; und diese Geschichte zieht die Menschen an, weil sie schön ist – so schön wie dieses Evangelienbuch. Ich weiß, dass viele die Bibel und ihre Geschichten nicht mehr schön und anziehend finden. Eher verstaubt und langweilig; alte Geschichten eben, die mit unserem heutigen Leben nichts mehr, auf jeden Fall nichts Entscheidendes mehr zu tun haben. Manchmal denke ich das selber. Aber dann überrascht mich dieses Buch, die Bibel – wie eine neue Woche: vieles schon bekannt, erwartet und plötzlich kommt etwas quer. Ein Gedanke, eine Entscheidung, eine Person. Die bringen mich dahin, wo ich eigentlich gar nicht hin wollte. Dann merke ich: die bringen mich näher zu Gott. Und der erwartet mich – schon längst.
19.10.10 sola sriptura
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!Es gibt Themen, über die lässt sich wunderbar streiten – wunderbar, weil es nicht so wichtig ist, wie der Streit ausgeht, z.B. ob die Gabel links vom Teller oder rechts, zusammen mit dem Messer, gedeckt werden sollte. Es gibt aber auch andere Themen, bei denen es von entscheidender Bedeutung ist, wie der Streit ausgeht und woher man Hilfe bekommt, um sich in dem Streit entscheiden zu können. Es ist gut 76 Jahre her, als in Wuppertal, im Ortsteil Barmen eine Reihe von Männern und Frauen zusammenkamen – genauer gesagt war es Ende Mai 1934. Die NSDAP von Adolf Hitler war seit einem Jahr an der Macht. Und nun kamen sie aus Gemeinden, die verstört, verunsichert waren: was bedeutet diese politische Wende in unserem Land? Kann es sein, dass durch diese neue Führung Gott zu uns spricht? Liegen in dieser „nationalen Erneuerung“ – wie man damals nannte – vielleicht auch Chancen für die Kirche? In Wuppertal – Barmen haben die Mütter und Väter unserer evangelischen Kirche die Bibel befragt. Und sie haben in den vielen biblischen Texten eine einzige Stimme wahrgenommen und diese Stimme hat zu ihnen gesagt: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“Für mich wirkt diese Konzentration auf die Bibel bis heute wie ein großer Befreiungsschlag. Nicht die politischen Ereignisse der Zeit nehmen uns Christen gefangen; auch die beeindruckenden Führungspersönlichkeiten aus der Politik können uns keine verbindlichen Wahrheiten anbieten; und vor allem: wenn ich etwas zuverlässiges, glaubwürdiges über Gott erfahren will, dann brauch ich nicht die kunstvollen Gebilde der Kultur durchzustöbern. Zuverlässig, glaubwürdig und völlig ausreichend ist das, was ich in der Bibel über Gott erfahre: Sola Scriptura - Allein die Schrift, diese Formel stammt aus der Zeit von Martin Luther und sie hat bis heute zentrale Bedeutung für den evangelischen Glauben. Die Bibel mit ihrer ganz besonderen Botschaft – sie reicht aus, um Orientierung zu bekommen.In jedem Streit werde ich mich fragen: wem bringt es etwas, wenn ich mich weiter streite. Wer ist der Dritte, der sich darüber freut, wenn ich mich jetzt mit meinen lieben Nächsten anlege. In meinem Arbeitsbereich komme ich z.B. immer wieder in Konflikt mit Leuten, die sich über Bemühungen aufregen, Muslime in unserer Gesellschaft zu integrieren. Mich in solch einer Situation auf die Bibel zu besinnen, bringt mir zunächst einen heilsamen Abstand. Und dann nehme ich diese alte, vertraute Stimme wahr: ich bin der Herr, dein Gott, ich habe dich befreit. Lass dich nicht in unsachliche Rechthabereien verwickeln. Bleib der Linie treu, die ich dir vorgezeichnet habe: liebe Gott, den Herrn und deinen Nächsten wie dich selbst. Dann wirst du deinen Weg finden.In der Frage, wie wir Christen mit Muslimen umgehen sollten hat diese Richtungsangabe der Bibel für mich ganz praktische Konsequenzen. Gerade im Gespräch mit Menschen, die meinen Glauben nicht teilen, kann mir mein christliches Bekenntnis noch einmal ganz neu einleuchten. So habe ich das erfahren. Und wenn ich meinem Bekenntnis treu sein will, dann haben Muslime das gleiche Recht dazu. Ich kann vielleicht einiges in ihrem Glauben nicht nachvollziehen; ich habe Anfragen an einige Lebensäußerungen ihres Glaubens; aber das Recht ihr eigenes Bekenntnis öffentlich zu leben, dieses Recht der Muslime muss ich als Christ schützen, denn so sagt es mir die Bibel: du sollst Gott deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft – und deine Nächsten wie dich selbst – sie sind wie du!
20.10.10 sola gratia
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!Es gibt eine Geschichte in der Bibel, die habe ich schon ganz oft gehört – und jedes Mal rege ich mich über sie auf –und zugleich weiß ich, diese Geschichte erzählt das Wesentliche, das Wichtigste, was überhaupt erzählt werden kann. Jesus erzählt sie, um zu verdeutlichen, wie Gott ist. Ein Weinbergbesitzer geht morgens früh auf den Markt und verpflichtet ein paar Arbeiter. Er wird schnell mit ihnen um den Lohn einig: ein Silbergroschen. Das ist für die damaligen Verhältnisse ein fairer Lohn. Damit können die Arbeiter ihre Familien durchbringen – nicht übertrieben, nicht zu wenig – fair.Nach drei Stunden merkt der Weinbergbesitzer, dass noch mehr Leute gebraucht werden. Wieder geht er auf den Markt und verpflichtet andere. Zu ihnen sagt er: „Ich will euch geben, was recht ist.“ Die Leute lassen es sich gefallen – sie haben ja auch keine andere Chance. Wieder vergehen drei Stunden, wieder wird klar: wir brauchen noch mehr Leute! Wieder geht der Weinbergbesitzer los, um Leute einzustellen. Insgesamt fünfmal, sogar noch eine Stunde vor Arbeitsschluss. Die letzten, die noch auf dem Markt stehen, fragt er herablassend: „Was steht ihr den ganzen Tag so herum?“ Die erschütternde Antwort der Leute: „Es hat uns niemand eingestellt“ – also: wir sind die Übriggebliebenen; wir sind die, die keiner braucht, keiner will. Daraufhin sagt der Weinbergbesitzer nur noch zu ihnen: „Geht auch ihr in meinen Weinberg.“ Eine Stunde später – der Arbeitstag ist um – die Leute sollen ihr Geld haben. Der Weinbergbesitzer sagt zu seinem Verwalter: „Ruf die Leute zusammen, gib jedem den Tagessatz und fang bei den Letzten an.“Was die für Augen gemacht haben, als sie für eine Stunde Arbeit den ganzen Tagessatz bekommen?! – Und als die an die Reihe kommen, die zwölf Stunden geschafft haben, auch in der Mittagshitze, da meinen die, sie würden mehr bekommen – aber auch sie bekommen einen Silbergroschen – wie vereinbart.„Das ist unfair!“ – alle reagieren so, wenn sie diese Geschichte hören. Jesus erzählt mit dieser Geschichte allerdings: so ist Gott! Er ist gütig, gnädig zu allen. Bitte, freu dich doch daran! Denn was für eine Chance haben die armen Schlucker sonst? Und wenn du selbst einmal als armer Schlucker dastehst, überflüssig, nicht nachgefragt – nicht wahr, dann freust du dich doch auch, wenn einer freundlich, gnädig zu dir ist, oder?! Sola gratia - allein aus Gnade; diese Formel stammt von Martin Luther und sie hat bis heute zentrale Bedeutung im Glauben der evangelischen Kirche – allein die Gnade Gottes macht, dass wir vor Gott bestehen können. Nicht unsere Lebensleistung entscheidet darüber, ob wir bei Gott angesehen sind. Gott schaut nicht auf unser Konto, nicht auf unsere Intelligenz. Gott überlegt sich nicht: den kann ich gebrauchen, den nicht! Gott sieht uns anders an. Er sieht uns gnädig an und sagt: ich kann euch alle gebrauchen – ach, was sage ich: ihr könnt mich gebrauchen! So gnädig ist Gott!
21.10.10 sola fide - an ihren Narben werden sie erkannt
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Eine Erfahrung macht mich in meinem Glauben immer wieder unsicher. Die Erfahrung, wenn Gebete um Heilung nicht erhört werden.Dabei sind die biblischen Geschichten so eindeutig:Kaum hat es sich in der Gegend herumgesprochen, dass Jesus aus Nazareth heilen kann, schon kann Jesus sich nicht mehr vor Anfragen und Bitten retten. Die Leute bringen ihre Kranken zu ihm, viele humpeln selbst zum Wunderheiler aus Nazareth und bei einigen wird nur die Bitte um Heilung überbracht, weil die Kranken selbst nicht transportfähig sind. So zum Beispiel bei dem Knecht eines römischen Hauptmannes. Da kommt der Römer persönlich und sagt zu Jesus: „Mein Knecht liegt zuhause, er ist gelähmt und leidet sehr!“ Jesus bietet ihm an zu kommen. Aber der römische Hauptmann weiß, dass Jesus als Jude nicht in das Haus eines Ungläubigen gehen darf. Deswegen sagt er nur: „Auch ich befehle meinen Knechten dies oder das zu tun – und es geschieht. Ich bin nicht wert, dass du in mein Haus kommst, aber sprich nur ein Wort, dann wird mein Knecht gesund...“ Jesus ist verblüfft: „Solchen Glauben habe ich in ganz Israel noch nicht gefunden... Geh nach Haus, dein Knecht ist gesund.“ Der Glaube hilft? Der Glaube macht gesund? Die Bibel ist da ganz eindeutig: der Glaube an Jesus aus Nazareth ist die einzige Kraft, um gesund zu werden – an Leib und Seele. Sola fide – allein durch den Glauben; diese Formel kommt von Martin Luther und sie hat bis heute zentrale Bedeutung im Glauben der evangelischen Kirche. Das ist der Glaube, den die Bibel meint; alles von Ihm erwarten! Aber wenn ich dann nicht gesund werde, wenn der Mensch, den ich lieb habe trotzdem immer schwächer wird - hat Gott dann mein Gebet nicht erhört? Offensichtlich schützt mein Glaube, mein Gebet mich nicht davor, an Gott irrezuwerden. Es kann sogar sein, dass ich wegen meines Glaubens, weil ich unbedingt an Gott festhalten will - Gott verliere, nur noch Dunkelheit um mich herum wahrnehme, weil sich nichts ändert, weil alles nur noch schlimmer geworden ist. Mir alle Selbstsicherheit abhanden gekommen ist. Als Jesus am Kreuz stirbt, da kann er nur noch schreien: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?! Was ist jetzt aus seinem Glauben geworden, was hat Jesus davon, dass er bis zum Schluss sich an Gott wendet – ist dieser Schrei alles, was von seiner Beziehung zum himmlischen Vater noch übrig geblieben ist? Jesus lebt das: Und wenn auch alles gegen dich spricht, Gott, ich halte mich an dir fest. Und du - hältst du mich auch fest? Genau das hat Gott zu Ostern getan. Er hat Jesus aus dem Tod herausgeholt. Darum kennt der Glaube beides: die völlige Dunkelheit, die Nacht, die Schmerzen, den Tod – und die Hoffnung, dass die Dunkelheit einmal aufhören wird, dass die Schmerzen gestillt und die Tränen abgetrocknet werden. Ja, selbst der Tod wird einmal überwunden sein. „Allein der Glaube“? – ja, nur der Glaube ist so verwegen, so verrückt, dass er auch noch im völligen Dunkel auf das Licht hofft, dass er angesichts des Todes, mitten im Sterben auf Gott setzt. Nach seiner Auferstehung wird Jesus an seinen Verletzungen erkannt. Die Jünger können erst nicht glauben, dass er lebt, darum zeigt Jesus ihnen seine Wunden; er ist es, Jesus, der verletzt, der getötet wurde. Also nicht allein an ihren Taten, an ihren Narben werden wir Gott und die Menschen erkennen!Was das alles für einen Glauben heißt, der um Heilung bittet? Vielleicht werde ich nicht mehr so gesund, wie ich einmal war. Vielleicht werden die Verletzungen, die mir das Leben zugefügt hat, immer an mir sichtbar bleiben. Aber mein Gebet hält den Blick frei auf den Gott, der das Leben will – über den Tod hinaus.
22.10.10 Solus Christus
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Jeder Tag in der Woche hat in der Tradition unserer Kirche einen besonderen Charakter. Jedem Tag sind bestimmte biblische Lesungen zugeordnet und der Freitag erinnert an den Freitag, den Karfreitag. Die biblischen Lesungen für alle Freitage im Jahr stammen aus der Passionsgeschichte; sie erzählen, dass Jesus am Kreuz gestorben ist – jeden Freitag, das ganze Jahr hindurch. Keine andere biblische Erzählung wird so intensiv berücksichtigt wie die, von den letzten Stunden Jesu auf dieser Erde: wie Jesus das letzte Mal mit seinen Jüngern zusammen war, wie er mit ihnen aß und ihnen voraussagte, was mit ihm selbst und mit ihnen geschehen würde; wie er für sie betete; wie er schließlich mit ihnen in den Garten Gethsemane ging, dorthin, wo er von einem seiner Jünger verraten wurde, dort wurde Jesus gefangen genommen, dann von jüdischen und römischen Machthabern verhört, von den Römern verurteilt und schließlich auf die römische Weise hingerichtet, die für Schwerverbrecher vorgesehen war: er wurde gekreuzigt. An jedem Freitag also ein Abschnitt aus dieser Geschichte. Warum? Weil sich in dieser Geschichte die ganze Not von uns Menschen spiegelt. Die größte Not besteht im Grunde darin, dass wir den Gott, den Jesus uns gezeigt hat eigentlich nicht haben wollen. Wir wollen den gnädigen Gott los sein, der immer Rücksicht nimmt auf die Schwachen, der selbst so schwach und wehrlos daherkommt wie Jesus. Wir Menschen möchten lieber unser eigenes Gesetz durchsetzen, dieses Gesetz leuchtet viel eher ein: das Gesetz des Stärkeren.Aber Gott, der Vater Jesu Christi unterwandert dieses menschliche Gesetz, die menschliche Überheblichkeit. Er lässt sich auf das Spiel ein; es wird ein blutiges Spiel. Gott selbst wird das Opfer... Jesus, sein Sohn stirbt am Kreuz.Nur – die Mächtigen dieser Welt, also diejenigen, die Jesus umbringen ließen, die hatten kein Auge für ihn; sie hatten kein Ohr für das, was dieser Angeklagte ihnen zu sagen hatte: dass sein Reich nicht von dieser Welt ist und dass es allen offen steht, die sich voller Vertrauen auf ihn einlassen. Und dass sein himmlischer Vater ihn aufnehmen wird – und alle, die zu ihm gehören.Die Römer nannten es Gerechtigkeit, was sie machten, aber es war anderes als das Recht des Stärkeren. Aber dieses Recht hat nicht das letzte Wort über seinem Leben gesprochen; das Recht, das letzte Wort über ihn und über uns zu sagen, behält sich Gott vor, der Vater Jesu Christi, unser himmlischer Vater. Darum erzählen wir bis heute seine Geschichten – allein durch seine Person können wir begreifen, was Gott über uns Menschen denkt, was er mit uns vor hat und wie wir mit uns selbst dran sind. Wir können viel erreichen, wir können aber auch viel zerstören – und trotzdem bleiben wir Gottes Kinder, Brüder und Schwestern von Jesus Christus. Solus Christus – allein Christus, diese Formel stammt von Martin Luther und sie ist im evangelischen Glauben bis heute von zentraler Bedeutung.
23.10.10 Von der Rechtfertigung
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer! Ich freu mich immer auf den Samstagmorgen, weil wir uns dann einmal richtig frische Brötchen holen. Bei uns ist der Bäcker nur gerade um die Ecke, da kann ich auch noch mit Hausschuhen hinlaufen. Für mich ist so ein Samstagmorgen ein wunderbares Beispiel dafür, was ich mit Rechtfertigung umschreibe. Sich rechtfertigen, entschuldigen – das müssen wir ja immer wieder einmal. Es hat so einen unangenehmen Beigeschmack. Es gibt aber noch ein Rechtfertigen – das schmeckt einem richtig gut – ganz ohne dummen Beigeschmack, wie frische Brötchen.Ich meine das Rechtfertigen, von dem wir in der Kirche sprechen. Dieses Rechtfertigen hat einen großen Vorteil: ich mache es nicht selber; Es ist wie der Samstagmorgen, den mache ich auch nicht selber, der kommt von ganz allein. Ich brauche mich auch nicht dafür zu entschuldigen, dass ich nicht so frisch und wohl rasiert daher komme – es ist doch Samstag. Ich brauche mich nicht dafür zu rechtfertigen, dass ich noch nicht alles geschafft habe, was ich sonst eigentlich um 8.00 schon erledigt hätte – es ist Samstag. Da brauche ich nichts zu schaffen, zu erledigen. – es ist alles in Ordnung. Warum? Weil es einen Ablauf gibt, den ich nicht beeinflussen kann. Es ist der Wochenrhythmus – und da kommt der Samstag, ohne dass ich etwas dazu getan hätte.Ganz ähnlich ist es mit der Rechtfertigung vor Gott; sie geschieht, ohne, dass ich irgendeinen Einfluss darauf nehmen könnte. Gott rechtfertigt mich. Er macht das in der Geschichte von Jesus Christus. In dieser Geschichte komme ich selbst drin vor. In seiner Geschichte kommt die ganze Menschheit vor. Wie? Es fängt mit der Weihnachtsgeschichte an. Ich finde es bemerkenswert, dass diese Geschichte immer wieder die Menschen anzieht. Jedes Jahr sind die Kirchen in unserem Land an diesem Tag richtig voll. Die Menschen kommen, weil sie diese alte Geschichte von der Geburt des Kindes im Stall hören, weil sie die alten Lieder singen wollen – vielleicht auch, weil sie sich in eine heile Welt zurücksehnen. Ach, es gibt so viele Gründe. Für mich ist der wichtigste Grund, dass sie selbst in der Geschichte vorkommen. Wenn wir diese alte Geschichte hören, die Lieder singen, uns in die Figuren hineinversetzen, dann werden wir Teil dieser Weihnachtsgeschichte; wir entdecken, das ist keine Geschichte die vor 2000 Jahren gespielt hat und nun vorbei ist. Diese Geschichte, die Geburt des Sohnes Gottes greift nach mir, sie ergreift mich. Es rührt mich an, dass Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde sich auf uns Menschen einlässt; (ich stelle mir vor:) In diesem schreienden Kind, das in die Windeln macht und das schon bald auf der Flucht ist zeigt Gott, dass er wirklich auf meiner Seite ist – auf der Seite eines Menschen, der sich oft selbst nicht helfen kann, nicht vor und zurück weiß, bedrängt wird von Fragen, die er nicht lösen kann. So kommen sie zusammen: Gott und Mensch! So komme ich, so kommt die ganze Menschheit in der Geschichte Jesu vor. In seiner Geschichte haben sich Gott und Mensch zusammengetan – und nichts wird sie mehr trennen können. Allein wegen dieser Geschichte bin ich gerechtfertigt vor Gott. Ich muss das nur noch glauben. Es ist wie am Samstagmorgen. Der kommt von ganz allein. Ich muss mich nur noch entsprechend verhalten und nicht so tun, als wäre Montag oder Donnerstag und schaffen und arbeiten und organisieren und mich dafür entschuldigen, dass ich da bin. Das alles mache ich heute nicht; ich lebe einfach - gerechtfertigt!Ich wünsche Ihnen einen schönen Samstag!