Cruisen im Namen Gottes
Mit Open-Air-Gottesdienst der tödlich Verunglückten gedacht
Text und Fotos: Anja Schubert
PR. STRÖHEN. Lautes Motorengeknatter in freier Natur und immer wieder ganze Kolonnen PS-starker Maschinen signalisierten am Tag der Deutschen Einheit:
Der NRW Nordpunkt ist für einen Tag wieder in Bikerhand. Zur neunten Auflage des von Heimatverein, Bikerstammtisch und der evangelischen Kirchengemeinde Pr. Ströhen organisierten Saisonabschlusstreffens versammelten sich am Morgen rund 300 Freunde „Heiße Öfen“ aus der näheren und weiteren Umgebung – alte Schätzen und moderne Hightechmaschinen gleichermaßen, um in geselliger Runde zu Fach zu simpeln. Einige hatten sich erstmalig auf den Weg zum nördlichsten Punkt NRWs gemacht, wie die „Holy Riders“ Altkreis Lübbecke, die auf Wunsch des Organisatorenteams mit dabei waren.
Der regionale Ableger des vor mehr als 30-Jahren in Norwegen gegründeten christlichen Motorradclubs, griff den Aktiven der Bikers Church Westfalen unter die Arme und verteilte kostenfrei Bikerbibeln. „Biken und der Glaube an Gott gehören für uns zusammen“, so die beiden Espelkamper Wilhelm Harder und Erik Petker, die für das „Cruisen im Namen Gottes“ begeistern wollten.
Nach einer mehr als 50 Kilometer langen Ausfahrt, die unter Federführung des Bikerstammtisches zunächst in niedersächsische Nachbargefilde und dann auf westfälischem Boden über Espelkamp und Rahden zum Pr. Ströher Grundschulhof führte, startete hier im Schatten der Immanuelkirche der Openair-Gottesdienst zum Gedenken der in dieser Saison verstorbenen Biker.
Dieser wurde musikalisch vom ortsansässigen Gospelchor „Armani“ umrahmt.
Zum zweiten Mal in Folge hielt Klaus Dieter Reuber, einziger Biker-Pastor der evangelischen Landeskirche Westfalen, die Predigt, die er dem Thema „Engel“ widmete. „Fahr nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann“, spannte er den Bogen zum Anlass des Gottesdienstes und machte deutlich, dass die himmlischen Boten, die im Volksglauben oftmals mit Flügeln und Heiligenschein behaftet sind, durchaus in Jeans, Fleisch und Blut erscheinen können - in der Gestalt eines lieben Menschen, der seinem Nächsten in der Not hilft. „So wird Gottes Dasein in unserem Alltag sichtbar.“ Besinnliches, betroffenes Schweigen machte sich breit, als zum Gedenken an die getöteten Motorradfahrer traditionell die Glocke geläutet wurde. Sieben Mal erklang sie in diesem Jahr, ein Glockenschlag für je 10 Biker, die ihr Leben ließen. 73 Tote galt es zu beklagen. Eine Zahl, die gegenüber 49 tödlich Verunglückten in 2010 sehr erschrecke, so Reuber und mahnte zu einer verkehrs- und witterungsbedingten Fahrweise.
„Krebs ist doof – Spenden nicht“ bat Reuber mit der Kollekte, bikertypisch in Motorradhelmen eingesammelt, um die Unterstützung des Fördervereins für krebskranke Kinder in Köln.
„Es ist wieder eine super Veranstaltung“, sprach Gemeindepfarrer Roland Mettenbrink den Mitgliedern des Bikerstammtisches ein dickes Lob aus. „Die Atmosphäre hier ist jedes Mal auf’s Neue toll“, freute sich auch Klaus Dieter Reuber, an der Landesgrenze erneut zu Gast zu sein. Doch einen „Hattrick“ anlässlich des ersten Nullgeburtstages des Bikertreffens in 2012 wird es wohl nicht geben. „Da bin ich schon im Frühruhestand", so der beliebte Biker-Pastor.
Nach dem Gottesdienst wurden die Benzingespräche am Nordpunkt bei warmem Herbstwetter und nur ganz wenigen nassen Tropfen von oben sowie stärkender Grillverpflegung bis in die Nachmittagsstunden fortgesetzt.