Nacht der offenen Kirche
40.000 Besucher bei Nacht der offenen Kirchen
Bielefeld. Rund 40.000 Besucher haben in der Nacht auf
Pfingstmontag in Westfalen und Lippe an der vierten „Nacht der offenen
Kirchen“ teilgenommen. In etwa 250 Kirchen und Gemeindehäusern gab es
bis nach Mitternacht ein vielfältiges Programm. Ein Viertel der Besucher
waren Menschen, die sonst selten zur Kirche gehen.
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Rahden
Zwischen Abseilen und Abendromantik – Nacht der offenen
Kirchen zeigte facettenreich die Bedeutung des Glaubens
Anja Schubert
Rahden/Pr. Ströhen (art). Von sportlichem Abseilen
bis zur romantischen Abendstimmung bot die vierte Nacht der offenen
Kirchen in den Rahdener Gotteshäusern ein vielfältiges Programm.
Rund um die Rahdener St. Johannis Kirche hatte der CVJM in diesem Jahr
in Eigenregie ein buntes Programm auf die Beine gestellt.
Das Abseilen vom Glockenturm dabei mit Sicherheit ein Highlight des
Abends. Ein wenig mulmig war es Simon schon, als zum ersten Mal gut
gesichert den freien Abstieg an der Kirchenmauer hinter sich brachte,
doch einmal auf den Geschmack gekommen, hieß es nicht nur für nach
wenigen Minuten auf ein Neues „Abwärts an der Außenwand“.
Damit die Jungen und Mädchen an mehrfach gesicherten Seilen den „Weg
nach unten antreten konnten, hatten Christian Kaster und Simon Meinking
nach dem Treffen der notwendigen Vorkehrungen selbst den „Abstieg“
getestet.
Für alle diejenigen, die mehr historisches als sportliches Interesse
zeigten, lud Pfarrer Stefan Thünemann zu einer Kirchturmführung ein.
Der Glockenturm, das Uhrwerk und nicht zuletzt die Kinderstube der
Fledermäuse, die bis Oktober nicht betreten werden darf, beeindruckten
ebenso wie der unwegsame Aufstieg nach oben.
Wer lieber am Boden blieb, den erwartete auf dem Kirchhof ebenso viel
Abwechslung. Balancieren in nicht ganz so schwindelnden Höhen auf einer
sogenannten Slackline, einem zwischen zwei Bäumen gespannten Seil,
bereitete den Kinder ebenso viel Spaß wie eine satellitengesteuerte
Schatzsuche.
Jugendreferent Oliver Nickel, dem mit seinem Team eine wirklich
abwechslungsreiche Gestaltung des Abends gelungen war, gab der Vielzahl
interessierter Besucher eine kurze Einweisung in die neue Trendsportart
„Geocaching“, bevor diese mit GPS Empfängern nach den rund um die Kirche
ausgelegten Schätzen gingen.
Auch für das leibliche Wohl war bestens gesorgt. Stockbrot und
Marshmallows am Lagerfeuer sorgten für eine gesellige Atmosphäre, eine
Suppe, über dem Grill zubereitet, und flambierte Bananen hinterließen
eine stärker sättigende Wirkung, um den langen Abend ohne knurrenden
Magen zu überstehen. Gemeinschaft und Zusammenhalt – Worte die mit dem
Pfingstfest als Geburtstag der Kirche in engem Zusammenhang stehen.
„Daher sind auch alle unsere Aktionen unter dem Aspekt des gemeinsamen
Handeln ausgewählt“, so Nickel. Denn das Abseilen, Balancieren und das
Geocaching seien Aktivitäten, bei denen man sich auf den anderen
Verlassen müsse, um ans Ziel zu kommen.
Auch die Andacht mit dem Figurentheater von Erlgunde Stockhowe, das
speziell für die jungen Kirchennachtbesucher ausgewählt wurde, trug
diesen Gedanken weiter. Die religionspädagogische Aufführung zeigte am
Beispiel nicht mehr zusammen agieren wollender Körperteile, dass nur das
gemeinschaftliche Zusammenwirken zu einem vernünftigen Ganzen führte.
Mit dem Film „Goodbye Bafana“, der zum Ausklang des Abends gezeigt
wurde, führten die CVJMler noch einmal die zentralen kirchlichen
Gedankengänge und das Ziel der evangelischen Glaubensgemeinschaft vor
Augen. Der Film rund um die Geschichte von Nelson Mandela und seinem
Gefängniswärter James Gregory, die Beziehung zwischen dem Kämpfer für
ein freies Afrika und einem Rassisten, zeigte beeindruckend, dass
Akzeptanz, Toleranz und Zusammenarbeit auch nach anfänglichen
Schwierigkeiten möglich sind. Ein harmonisches Gefühl der Ruhe und
Besinnlichkeit spiegelte sich in der Dunkelheit in der illuminierten
Kirche wider.
Ruhig, besinnlich und literarisch mit einem Hauch von Abendromantik zog
kontrastierend der Literaturabend in der Pr. Ströher Immanuelkirche ein
kleines, aber feines Publikum in seinen Bann. Unter dem Motto „Abend
ward, bald kommt die Nacht hatten nicht nur Einheimische den Weg in das
Pr. Ströher Gotteshaus gefunden. Selbst aus Börninghausen kamen
Liebhaber, die diese Literaturnacht bereits vor zwei Jahren schätzen
gelernt hatten.
Marlies Kalbhenn, Inge Hartmann und Pfarrer Roland Mettenbrink hatten
die literarische Gestaltung des Abends übernommen. „Ich komme immer
wieder gerne hierher“, so Marlies Kalbhenn, die mit Inge Hartmann ein
eingespieltes Team bildete, welches sich des öfteren bei Lesungen
harmonisch ergänzt. „Träume wandeln wie seltsame Wolkengestalten“ von
Joseph von Göres oder Eichendorffs „Es war, als hätt der Himmel die Erde
still geküsst“, stimmten nach vorangegangenen Orgelklängen und
Sologesang von Inge Hartmann auf die Nacht ein.
Drei Lesephasen „Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen“, Kom
zu mir in der Nach auf Siebensternenschuhen“ und Ich öffne die Tür am
Abend“ – trugen die Besucher immer weiter in die Nacht hinein, begleitet
von einer Mischung aus weltlichen und biblischen Erzählungen und
Gedichten.
Selbst sinnliche, unerhörte Geschichten wie Isabel Allendes „Die
Liebenden im Guggenheim-Museum“ fanden in der Kirche ihren Platz. In der
Pause bot das Nachtcafé mit frischen Früchten und Brot, Saft und Wein
einen geselligen Austausch über die genossenen Werke. Immer wieder wurde
der Abend durch gemeinschaftlichen Gesang, Orgelstücke und Sologesänge
aufgelockert. Gastorganist Christian Heuer war von der harmonischen
Ganzheitlichkeit der Pr. Ströher Immanuelkirche fasziniert.
Rahden