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Notfallseelsorge im Evangelischen Kirchenkreis Lübbecke
Seit Beginn der Christenheit gehört die Seelsorge am Mitmenschen zum christlichen Selbstverständnis. Im 2. Testament gibt Jesus im Gleichnis: „ Der barmherzige Samariter“ (Lk 10,25-37) einen klaren Seelsorgeauftrag. Und am Ende des Gleichnisses sagt er zu uns: „Geh hin, und tu desgleichen.“ Die Notfallseelsorge (NFS) ist ein Bestandteil seelsorgerischen Handelns der Kirchen. Ungeachtet kultureller, religiöser oder sozialer Herkunft von Betroffenen steht sie Menschen in Akutsituationen, nach tragischen Ereignissen bei. NFS ist in die gemeindlichen Strukturen des Ev. Kirchenkreises Lübbecke eingebunden. Sie versteht sich hier als Ergänzung und Entlastung und ist mit verschiedenen kirchlichen Beratungsstellen vernetzt. In der heutigen Struktur und Arbeitsweise ist die NFS eine der jüngsten kirchlichen Arbeitsfelder. Seit ca. 25 Jahren besteht ein ökumenischer Konsens auf Bundesebene über Selbstverständnis und Qualitätsstandards. Letztere sind unter www.notfallseelsorge.de abrufbar. Seit dem ist sie ebenfalls in die Katastrophenschutzgesetze eingebunden und arbeitet in Partnerschaft mit Rettungsorganisationen und Polizei vor Ort zusammen.
SEELIG SIND DIE DA LEID TRAGEN; DENN SIE SOLLEN GETRÖSTET WERDEN (MATTH. 5.4. )
Im Ev. Kirchenkreis stehen Theologen und Nicht-Theologen 24 Std. an 365 Tagen bereit. Sie haben eine qualifizierte Ausbildung für die Begleitung von Menschen, die an die Grenzen ihrer seelischen Verarbeitungsmöglichkeiten gelangt sind. Z.B. wenn plötzlich und unerwartet der Tod eines geliebten Menschen in den Alltag hereinbricht. NFS steht in diesen ersten Stunden den Betroffenen bei. Sie gibt Sicherheit, vermittelt Mitgefühl und lässt den Menschen nicht allein. Sie erleichtert den Betroffenen wieder zu erster Stabilität und Orientierung zu gelangen. Auch wird das soziale und familiäre Umfeld zur Hilfe und Unterstützung aktiviert. Bei allen Einsätzen trägt und schützt die Gewissheit, dass Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger ihre ethische Kompetenz auf der Grundlage von christlichen Werten verstehen.
„ CHRISTUS HAT KEINE HÄNDE, NUR UNSERE HÄNDE, UM SEINE ARBEIT HEUTE ZU TUN.“ (Gebet aus dem 4. Jahrh.)
Traumatische Notsituationen sind so vielfältig und individuell wie das menschliche Leben selbst. Gott sei Dank, dass nicht jede dramatische Lebenssituation NFS benötigt, aber es ist gut zu wissen, auch für die Rettungsorganisationen, dass NFS jederzeit gerufen werden kann.
Der Kreis Minden-Lübbecke unterstützt die Notfallseelsorge durch die technische Ausrüstung und enge Vernetzung mit den Einsatzkräften. Mit den anderen Notfallseelsorge-Systemen im Kreis in Minden und Vlotho arbeiten wir eng zusammen. Weitere Infos z. B. Wo bekomme ich Hilfe? Mitarbeit, Ausbildung ...Klicken Sie gerne hier.
Ihre Ansprechpartner im Ev. Kirchenkreis Lübbecke
Diakon Heinfried Bolle
Tel.: 0177/4641228
Email: heinfried.bolle[at]gmx.de
Stellvertreterin:
Frau Mechthild Hitzeroth
Tel.: 0176/48106408
Email: mecks185[at]aol.com
VON TYLER LARKIN
Lübbecker Land. Der Tod eines Menschen – ob lange erwartet oder urplötzlich – löst in seinem Umfeld emotionales Chaos aus. Manch Angehöriger kocht erstmal einen Kaffee, andere laufen schreiend aus dem Haus. In diesen Ausnahmesituationen sollen kirchliche Notfallseelsorger einen ruhenden Pol bieten. Doch es gibt zu wenige Pastoren für diese Aufgabe.
Superintendent Dr. Rolf Becker sagt, die hohe Arbeitsverdichtung sei Grund dafür. Zwanzig Pastoren und zwei ehrenamtliche Helfer sind bislang im Kirchenkreis Lübbecke in diese Arbeit mit eingebunden. „Notfallseelsorge ist selbstverständlich geworden“, sagt Pfarrer Stefan Thünemann aus Rahden. „Wir werden immer häufiger angefordert.“
So auch am 23. März, als ein 13-jähriger Radfahrer die L 557 in Rahden-Varl überqueren will. Den Zusammenprall mit einem Pkw überlebt er nicht. Der Junge stirbt am frühen Nachmittag im Rahdener Krankenhaus.
Insgesamt drei Seelsorger waren an diesem Freitag im Einsatz. Ein ehrenamtlicher Helfer kümmerte sich um die Freunde des 13-Jährigen, die zusammen n mit ihm die Straße überquerten. „Sie waren Augenzeugen des Unfalls. Wie auch zwei Schulbusse, die voll besetzt die Unfallstelle passierten“, sagt Stefan Thünemann, der mit Michael Waterböhr ins Krankenhaus fuhr. „Nicht nur die Angehörigen, auch das medizinische Personal können dann einen Ansprechpartner gebrauchen“, sagt Pfarrer Waterböhr. „Wir möchten für einen Augenblick Stabilität bringen“, ergänzt Thünemann.
Rund 4.000 Menschen kommen jährlich auf deutschen Straßen ums Leben, 10.000 begehen Suizid. Stirbt ein Mensch eines unnatürlichen Todes, ist es Aufgabe der Polizei, die Angehörigen zu benachrichtigen. Für viele Beamte ist es der schlimmste Teil des Berufs, manche sind nicht in der Lage dazu. Oft bittet die Polizei Notfallseelsorger, sie dabei zu begleiten.
„Wenn die Angehörigen ausrasten und schreien, kann man das aushalten“, sagt Pfarrer Eckhard Struckmeier aus Lübbecke. „Ich bin sogar froh darum. Wenn die Menschen in sich zusammen sinken, ist es viel schwieriger, wieder Kontakt zu ihnen bekommen. In jedem Fall bilden wir eine Art ruhenden Pol, bis sich die Situation etwas beruhigt hat.“
Als ein Fahranfänger morgens um acht auf einer Landstraße starb, sprach er am Unfallort ein Gebet, bevor der Bestatter den Toten mitnahm. „Ich habe an der Einsatzstelle ja keine direkte Aufgabe, wenn die Angehörigen nicht vor Ort sind. Ich bin dann einfach nur da. Auch das kann helfen“, sagt Struckmeier. Den Rest des Vormittags verbrachte er bei der Familie des jungen Mannes.
Im Fall des verstorbenen 13-jährigen Schülers gingen Waterböhr und Thünemann am darauffolgenden Montag in die betroffene Schule. „Es gab eine Versammlung in der Aula. Die Schulleitung teilte allen mit, was genau passiert war. Anschließend wurde in den Klassen Trauerbewältigung betrieben“, sagt Michael Waterböhr.
Es gelte, die selbst heilenden Kräfte zu mobilisieren. „Wir können nur zuhören, aber nichts rückgängig machen.“
Zwei Wochen Bereitschaftsdienst pro Jahr übernimmt jeder der zwanzig Pastoren pro Jahr. „Bei Unglücksfällen oder Unfällen werden wir über die Rettungsleitstelle Minden oder die Polizei angefordert“, sagt Waterböhr, kommissarisch Beauftragter für Notfallseelsorge im Altkreis.
Nun will die Kirche die Notfallseelsorge „auf breitere Füße stellen“ (Thünemann). „Wir wollen vermehrt ehrenamtliche Helfer für diese Aufgabe gewinnen“, wirbt Superintendent Becker, der am 20. Juni um 19 Uhr zu einer Informationsveranstaltung ins Kreiskirchenamt einlädt. „Die Notfallseelsorge findet aus einer gesellschaftlichen Verantwortung heraus statt“, sagt Stefan Thünemann. NW 2.6.2012