Wie ein Schiff in den Weltmeeren

Foto: Anja Schubert

Pr. Ströhen, 10. Mai 2023

Vor rund einem halben Jahrhundert waren Kindergärten auf dem Lande etwas Besonderes, heute gehören sie zum Dorfbild einfach dazu. Und wer dazu gehört, darf auch damit rechnen, dass zu einem Jubiläum viele Gäste gratulieren. – Dieses war jedenfalls am Samstag so, denn der evangelische Kindergarten Pr. Ströhen feierte sein 50-jähriges Bestehen mit mehreren Hundert kleinen und großen Gästen. Los ging es am Vormittag mit einem Festgottesdienst mit

Singspiel, Gratulationen und Grußworten.

„Wo ist eigentlich die Zeit geblieben? Was ist alles geschehen?“, fragte Einrichtungsleiterin Kadia Oedekoven in ihrer Begrüßung. „Vieles – gesellschaftliche Veränderungen, Kinderzahlen, bauliche Veränderungen, politische Entscheidungen, Gesetzesnovellierungen, das Weltgeschehen und der Zeitgeist – all das hat unsere Arbeit beeinflusst. Wir fühlten uns oft wie ein Schiff in den Weltmeeren, hatten, wenn der Sturm doll tobte, manchmal Angst, unterzugehen. Doch als Mannschaft haben wir für unsere wertvollen Fracht, die Kinder, jedem Sturm getrotzt“, dankte Oedekoven ihrem Team dafür, dass sie einander treu geblieben seien und man nicht auf jeden neuen Zug aufgesprungen sei. Oedekoven erinnerte an viele schöne „Anlegestellen“, die durch Kooperationen mit den örtlichen Vereinen, Institutionen und Firmen sowie weiteren Wegbegleitern und Freunden immer wieder zustande kämen. Ihr besonderer Dank galt dem Presbyterium, dass sich vor langer Zeit entschieden habe, die Kinder in den Mittelpunkt der Gemeinde zu stellen. Noch heute ist der Kindergarten in Trägerschaft der Kirchengemeinde.

Singspiel in Pr. Ströhen entwickelt

Für das anschließend aufgeführte Singspiel „Diese Erde ist dein Garten“ ernteten die kleinen Akteure jede Menge Lob und Beifall. Ein Singspiel, das biblisch herausstellte, was einen Kindergarten früher wie heute ausmacht: dem Nachwuchs ähnlich wie Pflanzen Zeit und Raum zu geben, um zu starken, individuellen Persönlichkeiten heranzuwachsen. Ein Singspiel, dass für den Pr. Ströher Kindergarten aber auch eine ganz besondere Bedeutung besitzt, denn dort wurde es mit Unterstützung von Dieter Stork (Text) und Matthias Nagel (Musik) unter Mitwirkung von Pfarrer Dr. Roland Mettenbrink und Kindergartenleiterin Kadia Oedekoven entwickelt, 2006 vom Kindergarten Pr. Ströhen uraufgeführt und anschließend als CD mit zahlreichen Handreichungen vertont. Komponist Matthias Nagel ließ es sich nicht nehmen, bei Wiederaufführung unter Leitung von Erzieherin Tina Möhle zum Jubiläum dabei zu sein.

Viel Anerkennung und Wertschätzung

„Entwickeln und Fördern, Vorbereiten auf die Erwachsenenwelt – aber auch Kind sein lassen. Das ist eine Gratwanderung, die hier wundervoll über fünf Jahrzehnte gelingt“, eröffnete Bürgermeister Dr. Bert Honsel den Reigen der Grußworte. „Drei Kita-Leitungen in 50 Jahren – das ist nicht viel an Wechseln und spricht für ein intaktes Team“, so Diana Bruguet, Fachberaterin des Kirchenkreises Lübbecke, die mit Verwaltungsleiter Carsten Schöneberg und Dr. Ulrike Schäfer vom Synodalvorstand gratulierte und für den achtsamen Umgang mit den Gefühlen der Kinder dankte. „Ohne einander wären wir nicht das, was wir sind“, betonten Grundschulleiterin Bettina Wehebrink, Andrea Kruse (OGGS) und Anja Buschmann (Förderverein Kindergarten und Grundschule), dass mit Kita-Leiterin Oedekoven als vierter im Bunde ein starkes Geflecht zugunsten der Kinder entstanden sei.
Ortsvorsteherin Bianca Winkelmann und Martina Berner (für den Stadtrat), beide selbst jahrelang Vorsitzende des Fördervereins betonten, dass Kinder wie zarte Blumen seien, die mehr bedürften als einer Wertevermittlung, nämlich das von Herzen kommende Heranwachsen, was in Pr. Ströhen ermöglicht werde.

Im Anschluss startete auf dem Kindergartengelände ein buntes Gartenfest für Klein und Groß, bei dem auch viele Vereinsvertreter, Großeltern und Ehemalige der Einrichtung einen Besuch abstatteten. Die Zahl derer, die sich mit der Einrichtung verbunden fühlen, war groß.

Nur drei Leiterinnen in 50 Jahren

„Es ist so schön, Entwicklungen, aber auch Bleibendes zu sehen“, so Inge Hartmann, Einrichtungsleiterin der ersten Stunde, die seinerzeit auch in den Bau des Kindergartens involviert war. Ganz getrennt hat sie sich von der Kita nie, denn noch heute wohnt sie in unmittelbarer Nachbarschaft der Einrichtung. „Immer wieder gern komme ich auf einen Besuch vorbei.“ „Es ist beeindruckend, wie sich die Kita trotz des Wandels ihre Kontinuität bewahrt hat“; stellte Hartmanns Nachfolgerin Edith Meier-Heßlau heraus und erinnerte an das Aufstellen der ersten Brutmaschine 1978 durch den Geflügelzuchtverein. Nur eine Tradition, die bis heute beibehalten wird. Auch Inklusion sei damals schon praktiziert worden. „Ohne, dass es dafür besondere Worte brauchte.“ Von der Pr. Ströher Filiale der Stadtsparkasse erinnerte Maren Wieland-Hartwig an regelmäßige Besuche der Kinder, bei denen die Geldzählmaschine ausprobierten. – Die Kinder ganz nah an der Welt der Erwachsenen.

Ehemalige erinnern sich

„Vieles hat sich verändert, aber in den Grundfesten ist es immer noch die Kita von damals“, so Torsten Kuhlmann, eines der Kindergartenkinder der ersten Stunde und erkannte erfreut seinen ehemaligen Sitzplatz in seinem alten Gruppenraum wieder. „Da war sonst die Bauecke“; stellten Lasse, Lennart (beide 9) und Stine (10), deren Kita-Besuch noch gar nicht so lange zurück liegt, Veränderungen fest. Obwohl kurz vor dem Wechsel auf die weiterführenden Schulen, entdeckten auch sie liebgewordenes aus Kindergartenzeit wieder.

Neben verschiedenen Möglichkeiten sich zu stärken, standen bei den jungen Besuchern vor allem das das Kinderschminken, Schatzsuche sowie Kurzweil mit Clownin und Luftballonkünstlerin Lilly Locke und Minitrecker-Rundfahrten durch den Park des benachbarten Seniorenheimes hoch im Kurs. Gartenfreunde kamen zudem bei der Pflanzentauschbörse der örtlichen Landrauen auf ihre Kosten, bei der neben dem Besitzerwechsel der Pflanzen auch Spenden zugunsten der Kinder gern gesehen waren.


Beim Tag der offenen Tür war das Kinderschminken stark gefragt. Foto: Anja Schubert

Zusammen blicken sie auf 50 Jahre Einrichtungsleitung zurück: Nach Inge Hartmann, Einrichtungsleiterin der ersten Stunde, übernahm Edith Meier-Heßlau von 1977 bis 2002 fast 25 Jahre lang die Führung des Pr. Ströher Kindergartens. Seitdem - bereits mehr als 20 Jahre - hält Kadia Oedekoven Team und Kinder zusammen. Foto: Anja Schubert

Er hat seinen Platz von damals gefunden: Torsten Kuhlmann war nur eines der Kindergartenkinder der ersten Stunde, die der Einrichtung zum Fest einen Besuch abstatteten. Foto: Anja Schubert