Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Aufeinander zu gehen

Volkstrauertag: Wir erinnern uns an die Opfer der beiden Weltkriege. Kein schöner Anlass, um einen Gottesdienst zu feiern. Nur wenige finden an diesem Tag den Weg in die Kirche oder zu den Kriegsmahnmalen. Aber der Rechtsruck, der seit einigen Jahren wieder durch die Welt geht, mahnt uns, endlich wach zu werden, aufzustehen und all unsere Kraft dafür einzusetzen, dass es nie wieder so weit kommt wie 1914 oder 1938. In den beiden Kriegen ging es um Machinteressen und Nationalstolz. Beides brachte Hunger, Flucht, Tod und Elend in die Welt. Es wichtig, dass wir den Volkstrauertag haben, damit wir nicht vergessen, wie schrecklich Krieg ist.
Tatsächlich gehen in unseren Tagen viele auf die Straße, um gegen Nationalismus und Rassismus ein Zeichen des Friedens zu setzen. So wie vor einer Woche die 6000 Menschen in Bielefeld, die friedlich gegen den Aufmarsch von 600 Neonazis demonstrierten. Und damit zeigten: „Wir sind mehr! Und wir lassen nicht zu, dass Fremdenhass und Engstirnigkeit den Frieden zerstören!“
Was sagt eigentlich Kirche dazu? Will sie im Sinne ihres Herrn handeln, muss sie Jesus fragen: „Wie verhalten wir uns gegenüber Fremden? Wie gehst Du selbst mit ihnen um?“
Ein Lehrstück dazu finden wir in der Begegnung Jesu mit einer Ausländerin, die extra nach Israel gereist ist, um Jesus zu treffen (Markus 7,24-30). Sie bittet ihn, ihr krankes Kind zu heilen. Jesus lehnt das mit schroffen Worten ab: „Ich helfe nur meinem eigenen Volk!“ Doch die verzweifelte Mutter antwortet: „Ist Gott denn nicht so groß, dass von seinen Gaben für alle Menschen genug da ist?“ Darauf entgegnet Jesus: „Wahrhaftig! Dein Vertrauen ist groß! Geh nach Haus, Deine Tochter ist geheilt!“
Ich staune über die Raffinese Jesu. Er weiß ja längst, dass Gott alle seine Geschöpfe retten will. Aber er stellt sich zum Schein auf die Seite derer, die rufen: „Unser Volk allein!“ Damit hat er ihre Aufmerksamkeit. Die Zuhörenden denken: „Ha, er ist einer von uns!“ Doch dann lässt Jesus es zu, dass die Fremde protestiert. Ja, er gibt ihr Recht und lobt ihr Vertrauen. Er stellt sich auf ihre Seite und widerspricht damit allem engstirnigem Nationalismus. Gottes Heilsplan gilt allen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder sozialem Status.
Was lernen wir daraus? Jesus fordert uns heraus, gegen Unrecht zu protestieren. Wir sollen die Gaben, die Gott uns allen schenkt, miteinander teilen. Wenn jeder dazu bereit wäre, dann gäbe es keine Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit, keinen Hunger und keine Kriege mehr in dieser Welt. Ohne Gottes Hilfe schaffen wir das nicht. Aber er gibt uns die Kraft, dass wir uns auf den Weg aufeinander zu machen und damit die ersten Schritte in Richtung Frieden gehen.
Das wünsche ich uns allen!


Kristina Laabs, Pfarrerin in Oberbauerschaft, Spiel- und Theaterpädagogin (bka)