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In seiner Autobiographie »Ich nicht!« schilderte der bekannte deutsche Historiker Joachim Fest (gestorben am 11. Sept. 2006) eine bemerkenswerte Episode aus seinem Elternhaus, die 1936, knapp 3 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers, spielte. Der neunjährige Verfasser belauschte eine Auseinandersetzung der Eltern. Der Vater, von Beruf Lehrer und deutlicher Kritiker des NS-Regimes, war bereits vor einiger Zeit vom Schuldienst suspendiert worden. Die Familie war in dieser materiellen Notlage enger zusammengerückt.
Die Mutter fragt den Vater zögerlich, ob er nicht doch noch überlegen wolle, in die Partei einzutreten, »und um das Ende ihres Vordringen anzudeuten, setzte sie ein einfaches ›Bitte!‹ hinzu«. Der Vater nimmt sich Zeit für seine Antwort. »Er sagte etwas über die Umstellungen, zu denen sie, wie viele andere, genötigt seien. Über das Gewissen, das Vertrauen in Gott.«
Die Mutter bleibt hartnäckig und bemerkt, »dass ein Parteieintritt doch nichts ändere: ›Wir bleiben schließlich, wer wir sind!‹ Ohne langes Nachdenken erwiderte mein Vater: ›Das gerade nicht! Es würde alles ändern!‹« Die Mutter sagt, die Heuchelei, die der Parteieintritt bedeuten müsste, nähme sie in Kauf: »Die Unwahrheit sei immer das Mittel der kleinen Leute gegen die Mächtigen gewesen. Nun schien die Überraschung auf Seiten meines Vaters. Jedenfalls sagte er einfach: ›Wir sind keine kleinen Leute. Nicht in solchen Fragen!‹«
Solche Diskussionen können wir in der einen oder anderen Form auch. »Was können wir schon ausrichten? Wir sind doch viel zu unwichtig, als das es auf uns ankäme.« Und weil wir uns so selbst unwichtig machen und auch unser Handeln als unbedeutend betrachten, nehmen wir es als legitim, die Konsequenzen unseres Handelns nur auf die eigene Person zu bedenken und das »Große« auszuklammern.
Für und vor Gott aber sind wir wichtig. Der Vater von Joachim Fest war ein gläubiger Christ und von daher war ihm klar, dass er kein kleiner »Leut« ist – vor Gott ist niemand unwichtig und auch das eigene Handeln ist nicht unbedeutend. Und das nicht nur in der Auseinandersetzung mit dem wieder stärker werdenden Rechtsextremismus. Unsere Wichtigkeit – oder besser vielleicht: Würde – hängt nicht davon ab, ob andere Menschen sie uns zusprechen oder wie lang die Hebel sind, an denen wir ziehen können, sondern davon, dass wir sie selbst für uns in Anspruch nehmen.
Und außerdem: Auch Jesus Christus war ja ein kleiner »Leut«, ist ja nicht als mächtige Persönlichkeit geboren worden, sondern als Sohn eines Handwerkers in einem kleinen Nest weit jenseits aller damaligen Metropolen. Gott ist in den Schwachen mächtig!
Friedrich Stork ist Pfarrer in der Evangelischen Martins-Kirchengemeinde Espelkamp