Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 09. April 2022

Pfarrerin Christine Scheele

Ich erzähle Ihnen die Geschichte einer Frau, die in den vergangenen Wochen „Corona“ hatte, so richtig mit Fieber und über 14 Tage Quarantäne. Die Frau war dreimal geimpft und hatte nun zum dritten Mal Corona. Ihr ging es nicht gut. Sie erzählte von Gesprächen, die sie erlebt hatte. Da gab es die einen, die sagten. Wie gut das du geimpft bist. Sonst hättest Du vielleicht ins Krankenhaus gemusst. Die Ungeimpften im Freundeskreis lächelten und sagten: Siehst Du: Impfen bringt nichts!

Es wurde nicht gefragt: Kann ich dir was helfen, soll ich einkaufen, sondern es wurde gleich bewertet, eine Situation wurde sofort beurteilt. Wer krank ist, oder in Not, der braucht zunächst Mitgefühl, kein schwarz-weiß Denken, keine Beurteilung der Situation.

Wäre ich krank, wünschte ich Menschen an meiner Seite, die zuhören und mir nicht gleich einreden, das sei so oder so nicht schlimm. Ich habe das Gefühl, dass unsere Situation viele Menschen dazu verleitet, sich zu schützen, Gefühle nicht an sich ranzulassen, den anderen durch Bewertung auf Abstand zu halten. Damit halte ich mich auf Abstand zu mir selbst.

Ich wünsche mir Menschen, die Zuhören, die es aushalten, dass es anderen schlecht geht. Menschen, die die Unsicherheit, in der wir leben aushalten, ohne gleich eine Lösung parat zu haben, eine Bewertung. Ich erwische mich auch immer wieder dabei, dass ich bewerte, urteile, beschuldige. Manchmal bemerke ich es und kann dagegen steuern. Das wünsche ich Ihnen auch, dass Sie bemerken, wenn Sie hart werden, ein Urteil treffen und dann auf Ihr Mitgefühl hören.

Es ist leichter den Splitter im Auge des Anderen zu sehen als den Balken vor dem eigenen Auge (Siehe Matth. 7.3) Mitgefühl ist nicht zu verwechseln mit Mitleid. Es geht nicht um den Sumpf von Gefühlen, sondern um Anteilnahme. Gott hat uns ein fühlendes Herz gegeben. Und da ist nicht entscheidend, ob wir auf der richtigen Seite stehen, sondern dass wir uns berühren lassen, von dem, was ist.
Die Frau mit Corona ist wieder gesund. Sie ist dankbar, dass die Quarantäne vorüber ist. Sie freut sich an der Begegnung mit nahen Menschen. Mitgefühl macht vieles leichter.


Christine Scheele, Pastorin im Krankenhaus Lübbecke