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Ich liebe es, am Anfang des Jahres den neuen Kalender aufzuschlagen.
Fein gegliedert liegt es vor mit das Jahr 2021; eingeteilt in Monate, Wochen, Tage – sehr übersichtlich das Ganze. Die Seiten noch jungfräulich leer. Kein Strich, von Hand gezeichnet, stört das vollkommene Bild.
Die Zeit gebannt zwischen zwei Buchdeckeln – übersichtlich geordnet und absolut neutral. Jeder bekommt am Anfang die gleiche Menge Zeit, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, vier Wochen im Monat, 12 Monate im Jahr. Die Zeit kennt kein Ansehen der Person, behandelt niemanden besser oder schlechter als den anderen. Für sie sind alle gleich.
Dann setzte ich den ersten Strich, trage Termine ein und die Geburtstage der Menschen, an die ich denken möchte.
Mache den Kalender zu meinem ganz unverwechselbaren Eigentum.
So beginne ich die neutrale Zeit zu meiner zu machen. Ich plane meine Zeit. Und ich möchte sie damit in den Griff bekommen. Und dazu muss ich meiner Zeit immer ein Stück voraus sein. Es kommt ja äußerst selten vor, dass jemand die Vergangenheit plant – meist ist es ja die Zukunft. Und um diese zu planen, greife ich auf meine Erfahrungen zurück, auf meine Vergangenheit. Ich habe also eine Zukunft – sie liegt vor mir in Form dieses druckfrischen Kalenders und ich kann sogar schon in sie hineinblicken, in meine Zukunft und kann mir vorstellen, wie sie sein wird.
Eine Vergangenheit habe ich auch – das sehe ich am – inzwischen recht ramponierten - Kalender des vergangenen Jahres – dort kann ich nachsehen, wann ich wo war und was ich da getan habe.
Nur eins zeigt mir mein Kalender nicht – weder der neue noch der alte und auch nicht der von vor fünf Jahren: Kein Kalender der Welt zeigt mir meine Gegenwart.
Dabei ist sie die einzige Zeit, die ich habe. Die Vergangenheit ist vergangen und die Zukunft ist noch nicht. Ich kann die Vergangenheit erinnern und die Zukunft planen, nur leben kann ich dort nicht, das geht nur in der Gegenwart.
Diese Erkenntnis ist total banal. Und trotzdem ist es echt schwer für mich, sie umzusetzen: Im Hier und Jetzt sein und einfach den Augenblick wahrnehmen.
So oft verpasse ich die Gegenwart, indem ich Zukünftiges plane, mich auf Schönes freue oder ich mir ängstlich Sorgen darüber mache, was alles passieren könnte. Doch die Zukunft ist nicht meine Zeit.
Um die Zukunft auf mich zukommen zu lassen und die Vergangenheit vergangen sein zu lassen, hilft mir oft nur ein kurzes Gebet: Meine Zeit steht in deinen Händen. (Ps 31,16) Meine Zeit steht in Gottes Händen – Diese wenigen Worte entschleunigen mich sofort, halten mein Gedankenkarussell um Vergangenheit und Zukunft an und schenken mir Momente, in denen ich ganz gegenwärtig bin.