Evangelischer Kirchenkreis Lübbecke

Worte der Besinnung für den 13. Juli 2019

Pastor Matthias Müller

„Papa, das bist Du!“



antwortete mir mein Sohn vor Jahren, als ich ihm über die Schulter schaute und in höchsten Tönen lobte, wie toll er aus dem Gedächtnis die Zeichentrickfigur Shrek gezeichnet hatte.

„Hups!“ dachte ich und musste mich einen Moment besinnen. Ich hätte schwören können, dass das Shrek ist. Hab ihn sofort erkannt. Na, auf jeden Fall ist das Bild gut gemacht. Und er hat das mit Kreativität und Zeit und Liebe gezeichnet. Das ist großartig. Und dann hab ich ihn gedrückt.

Das ist schon komisch, wenn andere ein ganz anderes Bild von mir haben. Sie sehen mich anders. Meine Frau sieht z.B. sehr genau meine Schwächen. Ich kann das alles erklären, woher das kommt, dass ich mich so verhalte. Ich denke, eigentlich bin ich ja ganz anders, viel besser. Und die anderen Leute, die mich nicht so gut kennen, lassen sich ja sowieso nur von der Fassade blenden oder glauben denen, die an jedem was auszusetzen haben. Ich bin der einzige, der mich wirklich kennt und zu schätzen weiß.

Was aber, wenn die anderen gar nicht so falsch liegen? Wenn das eigene Selbstbild gar nicht der Realität entspricht? Wenn es gephotoshopped ist? Wenn man nur denkt, dass man gar nicht so schlecht ist? Wenn man sich zu leicht Dinge durchgehen läßt und zu schnell mit einer anderen Erklärung bei der Hand ist, wenn man eine unangenehme Seite zeigt? Was, wenn Gott ganz nüchtern und unbestechlich die eigene Realität sieht und beurteilen kann? Dann gewinnt das alles etwas bedrohliche Züge. Man lebt so dahin in dem Bewusstsein, dass man sich im Großen und Ganzen nicht viel vorzuwerfen hat. Aber was, wenn Gott sagt: „Ich sehe das anders: Alle haben sich von Gott abgewandt; alle sind für Gott unbrauchbar geworden. Keiner tut Gutes, auch nicht ein Einziger.“ (Römer 3,12)

Mein Sohn hat mich gezeichnet, weil er mich lieb hat, obwohl er mich kennt. Er hat sich viel Mühe gegeben, um mir das zu zeigen. Gott sieht jeden von uns ungeschminkt, genau so, wie man wirklich ist. Aber er dreht sich nicht weg, sondern empfindet erstaunlicher Weise Liebe zu uns. Deshalb wendet er sich uns zu und zeigt uns seine Liebe. Und zwar durch Jesus. Das abschreckende Bild des Gekreuzigten drückt Gottes Liebe zu uns aus.


Pastor Matthias Müller, Freie evangelische Gemeinden Lübbecke